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Ethische Anlage in Krisenzeiten

Die richtige Anlageform zu finden, war in den vergangenen Jahren nicht immer einfach. Wie es dennoch gelingen kann, Kapital ethisch und mit Rendite anzulegen, beantwortet Ursula Gille-Boussahia, Finanzvorstand der Gemeinschaftsstiftung terre des hommes.

Stiftungsanlagen sollten ethischen und nachhaltigen Grundlagen folgen. Warum ist das heutzutage wichtig?

Eine Stiftung hat fast immer die Kapitalsicherung oder den Kapitalerhalt als Ziel in der Satzung genannt, womit sie faktisch immer auf »Unendlichkeit« ausgelegt ist. Stifter*innen entscheiden sich aufgrund dieser Ausrichtung bewusst für Stiftungen. Sie möchten Vermögen bewahren und sichern, manchmal auch Dinge, die sie geschaffen oder erworben haben, in guten Händen wissen. Wenn Stifter*innen diesem Gedanken folgen, müssen die Kapitalanlagen von Stiftungen ebenfalls diesem Gedanken folgen. Eine Anlage in Unternehmensgruppen, Unternehmen oder Unternehmensanteilen kann deshalb das Produkt oder die Haltung dieser Unternehmen nicht außer Acht lassen.

Welche Kriterien sollten diese Unternehmen erfüllen?

Es müssen immer Unternehmen sein, die respektvoll und wertschätzend mit Menschen, der Umwelt und damit auch mit unser aller Zukunft umgehen. Gleichzeitig ist von diesen nachhaltig ausgerichteten Unternehmen zu erwarten, dass sie durch ihre Unternehmenspolitik, Managementprozesse, ihre Produktionsabläufe und Produkte langfristig den Unternehmenswert steigern möchten und auch können. Sie sind nicht auf schnelle Renditen – egal wie und zu wessen Lasten – ohne Zukunftsausrichtung aus. Und damit ähneln sie im Handeln grundsätzlich dem Stiftungsgedanken, sie passen einfach besser zu Stiftungen.

Findet sich diese Haltung auch in der Anlagepolitik der Gemeinschaftsstiftung terre des hommes wieder?

Unsere Stiftung hat bereits seit dem Jahr 2005 eine entsprechende Anlageleitlinie. Diese wurde durch unsere Gremien kontinuierlich angepasst und verbessert. Sie ist bewusst einfach und klar gehalten. Sie lässt damit natürlich auch Spielräume, setzt aber auch sehr klare Grenzen.

Die Situation am Anlagemarkt ist seit langem schwierig. Machen Stiftungsanlagen vor diesem Hintergrund überhaupt noch Sinn?

Einerseits müssen Stiftungen den Kapitalerhalt sichern, andererseits müssen sie den Satzungszweck erfüllen. Diese beiden Ziele zu erreichen, ist in Niedrigzinsphasen, insbesondere in so langanhaltenden wie der aktuellen, eine große Herausforderung. Dennoch ändert das nichts an der Grundaussage, dass Stiftungen wichtig sind und gute, notwendige Arbeit leisten. Das Kapital von Stiftungen ist eine Größe, die bleibt, die aber in Niedrigzinsphasen eine niedrigere Förderungshöhe generiert. Aber um zumindest eine solche zu erreichen, müssen Stiftungen sich verändern.

Wie genau kann eine Stiftung da agieren?

Stiftungen müssen in Niedrigzinsphasen höhere Risiken eingehen, neue Anlageformen für sich entdecken, offen für Veränderungen sein und die Kosten verstärkt in den Blick nehmen, um alle Möglichkeiten bei der Rendite auszuschöpfen. Dazu zählt auch ein permanentes Hinterfragen und Verändern der Anlageformen. So hat unser Stiftungsrat bereits vor Jahren die Aktienquote auf 40 Prozent erhöht, und aktuell investiert die Stiftung erstmals in den Neubau einer Immobilie. Immobilien, die zugestiftet werden, nutzt die Stiftung oft sogar dauerhaft selbst.

Sollte man als Anleger*in eine eigene selbstständige Stiftung in Betracht ziehen?

Um die Kosten einer Stiftung niedrig zu halten, ist die Größe des Stiftungsvermögens von Bedeutung. Viele Stiftungsinteressent*innen verfügen über Vermögen, die eine selbständige Stiftung nicht rechtfertigen. Die Stiftungsaufsichten sind da seit Jahren mit der Genehmigung sehr zurückhaltend und lehnen Stiftungsgründungen aufgrund niedriger Vermögensgrößen auch ab. Die Gemeinschaftsstiftung bietet hier die Möglichkeit, ohne den Aufwand einer eigenen Stiftungsgründung und mit niedrigen laufenden Kosten möglichst hohe Projektunterstützungen zu generieren.

12.11.20